S a u l b u r g . Gewiß ist die Gemeinde Saulburg, wie das Gros der Gemeinden in Altbaiern, ein Kind Montgelas'. Der Gemeindekern Saulburg/Anger aber ist ein in Jahrhunderten gewachsenes Gemeinwesen, das seine Entstehung vor allem dem alten Adelssitz Saulburg zu verdanken hat. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gelang der Schritt zu einer modernen Gemeinde, die den Beweis liefert, daß Tradition und Fortschritt bestens miteinander harmonieren können, wenn die Regie in berufenen Händen liegt. Ob jedoch der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden kann, ist eine Frage; die erst die Reform beantworten wird.
Wenn es so etwas wie den Prototyp einer
Vorwaldgemeinde gibt, dann kann Saulburg dieses
Prädikat für sich in Anspruch nehmen. Der
Landschaftsbereich der Gemeinde umfaßt ein ziemlich
einheitliches Gebiet. Sie liegt im Einzugsgebiet der
Täler des Auenzeller und Geßmannszeller Baches und
umfaßt auch noch den unteren Teil der Kößnach; ferner
den Nordwesthang des Bergzuges vom Büscherl über
Fratherhöhe - Nierenberg - Angervorberge bis
Breimbach. Die 1616 Hektar große Gemeindefläche umfaßt
die Dörfer Saulburg, Aufroth, Thurasdorf,
Geßmannszell, Auenzell; die Weiler Frath, Spitzhaus,
Zieglhaus, Neuroth; die Einöden Wastlhof, Vogelsang,
Neumühle, Altenhof, Neuhaus, Staudenhaus, Fahrnhaus,
Grasleiten, Grabmühl und Kälberhof. Im Frather Gebiet
steigen die Erhebungen bis über 600 Meter an. Das
zweitgrößte Dorf der Gemeinde, Aufroth, im äußersten
Süden gelegen, erstreckt sich noch am Rande der großen
Ebene. Das Gemeindedorf Saulburg selbst liegt in 430
Meter Höhe.
Der älteste Name der Burg ist Suleberch und stammt von dem Berg, auf dem sie erbaut ist. Die ersten Besitzer der Burg, soweit sie durch Urkunden nachzuweisen sind, sind die Suleberger. Es ist naheliegend, anzunehmen, daß die Suleberch Ministerialen der Grafen von Bogen waren. Die erste Urkunde, in der die Suleberch genannt werden, datiert vom 5. Mai 1237. Ihre Linie ist in Saulburg hundert Jahre zu verfolgen. Dann wurden die Herzöge von Bayern die Herren der Burg, die nun 150 Jahre in deren Besitz war. Weitere Besitzer der Hofmark Saulburg waren die Westendorfer, die Oettlinger, das Hochstift Regensburg während der Gantzeit. Am 3. März 1838 kam das Schloß durch Kauf erstmals in bürgerliche Hände. Der Käufer war Josef Widmann, Müller in Aufroth und Pächter des Brauhauses zu Saulburg.
Im Laufe der Jahrhunderte gingen viele Stürme über die
Burg hinweg. Gute und weniger gute. Herren wechselten
einander ab. Der Zehent drückte die Hintersassen oft
hart, die mit schwerer Arbeit ihr Brot dem kargen
Boden abringen mußten. Zeitweise werden 17 Zehentorte
genannt. Trotzdem aber steht fest, daß die Geschichte
der Saulburg die heutige Gemeinde Saulburg, speziell
ihre Ortschaften Anger und Saulburg, weitgehend
mitgeformt hat.
In den Jahren 1964/65 war der Bau der Gemeindeverbindungsstraße Neuroth - Geßmannszell - Thurasdorf an der Reihe. Auch diese Straßenbaumaßnahme für die mehr als 700000.- DM auf den Tisch gelegt werden mußten, war eine zwingende Notwendigkeit. Die Ausbaustrecke hatte eine Länge von rund dreieinhalb Kilometern. Zur gleichen Zeit, im Jahre 1964, konnte auch die Ortsstraßenteerung in Saulburg durchgeführt werden. Die Ausstattung des Ortes mit gepflegten Straßen kostete weitere 58OOO.- DM. Am Ausbau der heutigen Kreisstraße BOG 19 war die Gemeinde Saulburg ebenfalls beteiligt. Ein Teil dieser Straße wurde in den Jahren 1965/66 in Richtung Obermiethnach im Landkreis Regensburg auf einer Länge von 960 Metern mit einem Kostenaufwand. von 216 OOO.- DM ausgebaut. Ein weiterer Teil dieser Straße war in den Jahren 1966/67 von Geßmannszell zur Gemeindegrenze Falkenfels an der Reihe. Dieses Stück hatte eine Länge von 1,4 Kilometer und kostete eine runde halbe Million.
Derzeit ist ein besonders hohe Kosten verursachendes 2,704 Kilometer langes Teilstück der BOG 19 von der Staatsstraße 2148 bis Neuhaus mit Ortsdurchfahrt (oberer Teil) Saulburg und Anschlußstück Spitzhaus - Auenzell im Ausbau. Bedingt durch das bergige Gelände, durch das die Straße führt, sind Schüttungen bis zu einer Höhe von fast 15 Meter erforderlich. Die Schwierigkeiten, die bei diesem Straßenbau zu überwinden sind, treiben die Kosten auf eine Höhe von zwei Millionen Mark. Eine mit diesem Straßenbau verbundene teilweise Verrohrung des sog. Holzbaches verursacht allein Kosten in Höhe von 30000.- DM. Der Ausbau der BOG 19 konnte trotz der hohen Kosten nicht mehr weiter hinausgeschoben werden, denn diese Querverbindung befand sich in einem derart schlechten Zustand, daß fast das Prädikat Feldweg angebracht war; keinesfalls entsprach sie den Anforderungen einer Kreisstraße. Nach ihrer Fertigstellung wird jedoch das Straßennetz der Gemeinde Saulburg nicht nur weiter vervollkommnet sein, sondern in diesem Teilbereich auch ein straßenbauliches Meisterstück aufweisen. Insgesamt hat Saulburg 25 km Gemeindestraßen und 30 km öffentliche Wald- und Feldwege zu unterhalten.
Im Rahmen der derzeit laufenden Straßenbaumaßnahme werden in Saulburg ein Kanal gebaut und Bürgersteige angelegt. Ortschaft und Gemeinde tun damit einen weiteren großen Schritt in die Zukunft. Die Gemeindekasse wird damit allerdings stark belastet, so daß andere große Vorhaben derzeit nicht geplant werden können. Bürgermeister Franz Ring und sein Gemeinderat sind sich jedoch darüber im klaren, daß jeder Fortschritt von der Gemeinde Opfer verlangt und sie wissen auch, daß jene Gemeinden, die in eigener Initiative große Anstrengungen unternehmen, mit der finanziellen Förderung durch Staat und Landkreis rechnen können. Relativ billig kam die Gemeinde dagegen beim Ausbau der Ortsdurchfahrt in Frath davon, die zusammen mit der Flurbereinigung durchgeführt werden konnte. Sie hatte dazu lediglich einen Zuschuß von 8000.- DM zu leisten.
Eine großie finanzielle Belastung war für Saulburg mit
der Gründung des Schulverbandes Kirchroth, Kößnach,
Saulburg verbunden, die einen großzügigen Schulneubau
in Kirchroth erforderlich machte. Die Gemeinde hatte
sich mit einem Drittel an der von den drei Partnern
aufzubringenden Finanzierungssumme zu beteiligen.
Dafür ist sie heute Mitbesitzerin der Schule. In der
eigenen Saulburger Schule, einem repräsentativen Bau
aus dem Jahre 1907, werden derzeit noch zwei Klassen
des Schulverbandes unterrichtet. Bis Anfang des
vorigen Jahrhunderts mußten die Saulburger Kinder den
anderthalbstündigen Weg zur Pfarrschule in Pondorf
gehen. 1802 kam der damalige Schloßkaplan einem
Wunsche der bayerischen Regierung entgegen und hielt
für sieben Jahre ohne ein Schulhaus und ohne einen
Pfennig Gehalt in seiner Sacellanwohnung eine freie
Schule. Später wurde sie dann in einem von der
Gemeinde käuflich erworbenen Försterhaus
untergebracht.
Durch die Ausweisung des an einem schönen Südhang gelegenen Baulandes und eine Reihe anderer Einzelwohnhausbauten erhöhte sich die Hausnummernzahl der Gemeinde nach dem Kriege von 146 auf 195. Das kommt einer Ausweitung von Wohnungsausbauten um 20 % gleich. Zwischen den Ortsteilen Saulburg und Anger liegt auch der Friedhof. Er war nach dem Krieg zu klein geworden und mußte deshalb im Jahre 1963 erweitert werden. Gleichzeitig entschloß man sich, auch den längst fälligen Leichenhausbau zu verwirklichen. Es handelte sich um ein Gemeinschaftsprojekt von Gemeinde und Kirchenverwaltung, die sich auch in die Finanzierung teilten.
Zur Ankurbelung des Fremdenverkehrs wurde auf privater Ebene ein Fremdenverkehrsverein gegründet, der die Möglichkeiten sondiert, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Die Voraussetzungen sind in der ebenso schönen wie ruhigen Landschaft gegeben. Zur Zeit werden jährlich etwa 2000 Übernachtungen registriert.
Neben ihren vielfältigen Aufgaben hat die Gemeinde
auch für zwei Feuerwehren zu sorgen. Die Saulburger
Wehr bekam im Jahre 1963 ein neues
Feuerlöschgerätehaus. 1965 wurde sie mit einem
Tragkraftspritzenfahrzeug ausgerüstet. 1953 wurde eine
TS 8 gekauft, die im vergangenen Jahr durch ein
neueres Modell ersetzt wurde. Die Aufrother Wehr bekam
1950 eine TS 4 und 1969 eine TS 8.
Obwohl es der einhellige Wunsch der Saulburger ist, daß alles beim bewährten alten bleiben möge, ist man realistisch genug, nicht zu glauben, daß für sie eine Extrawurst gebraten wird. Die Zukunft der Gemeinde ist höchst ungewiß und der Möglichkeiten, wie es Weitergehen könnte, gibt es viele. Das kleinere Ubel aus der Sicht der Saulburger wäre eine Verwaltungsgemeinschaft mit ähnlich strukturierten Nachbargemeinden. Nach vorsichtigen Andeutungen aus dem Innenministerium soll der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften vor Gemeindezusammenlegungen nur in besonderen Härtefällen der Vorzug gegeben werden. Der Begriff Härtefall ist jedoch bis jetzt noch nicht klar umrissen und erscheint zumindest derzeit noch höchst relativ. Ob der Fall Saulburg zu den Härtefällen gerechnet werden wird, wird wahrscheinlich noch nicht so bald geklärt werden. Eine andere, für die Saulburger schon bedeutend weniger akzeptable, Lösung wäre ein Anschluß an eine im Gespräch befindliche Großgemeinde Kirchroth, mit der durch den gemeinsamen Schulverband be-reits gewisse Bindungen bestehen. Die Großgemeinde Kirchroth scheint jedoch bei objetkiver Betrachtung nur ein Wunschtraum bleiben zu müssen, dessen Realisierung an dem von den Reformern gesetzten Einwohnerlimit von 5000 scheitert. Die dritte, für die Saulburger am wenigsten akzeptable, aber nichtsdestoweniger wahrscheinlichste Möglichkeit besteht im Anschluß an eine Großgemeinde Parkstetten, wenn die Version zum Tragen kommt, daß es zwischen Wörth und Bogen künftig nur noch eine Gemeinde geben soll. Und in diesem Falle bietet Parkstetten nicht nur von der Größe her, sondern auch aus einer Reihe von anderen Gründen die besten Voraussetzungen für den Verwaltungssitz. Diese von den Saulburgern am wenigsten gewünschte Entwicklung würde ungünstigstenfalls sogar die Teilung des derzeitigen Gemeindegebietes zur Folge haben. Denn der nördliche Gemeindeteil um Frath tendiert entschieden mehr in den Wald, nach Wiesenfelden, als ins Flachland. Noch aber ist es nicht so weit und den Saulburgern bleibt wenigstens noch die Hoffnung auf ein für sie halbwegs befriedigendes Finale bei der Gemeindereform.