Saulburg und seine Geschichte

Von Kreisheimatpfleger Michael Wellenhofer
michael_wellenhofer@hotmail.com
 
VI. Teil


Hochaltar der Angerkirche in Saulburg aus der Zeit um 1730

 

Wie Saulburg beinahe lutherisch geworden wäre

Es ist vor allem das Verdienst der Wittelsbacher Herzöge, daß Bayern nach der Reformation katholisch geblieben ist. Die Wittelsbacher Herzöge waren eifrige Verfechter des Katholizismus. Herzog Albrecht V. hatte streng nach dem Beschluß des Augsburger Religionsfriedens vom Jahre 1555 „cuius regio, eius religio“ alle Protestanten des Landes verwiesen. Auch in Straubing fanden in den Jahren 1562 und 1570 Ausweisungen von Protestanten statt. Unter ihnen war der bekannte Ulrich Schmidl, der sich daraufhin in der freien Reichsstadt Regensburg niederließ. Von 1579- 1597/98 regierte Herzog Wilhelm V. in Bayern. Unter ihm wurde Bayern Vormacht der Gegenreformation. Er rettete 1583/85 das Erzbistum Köln dem Katholizismus, als der dortige Erzbischof lutherisch geworden war. Herzog Ernst, ein Bruder des bayerischen Herzogs Wilhelm V., wurde daraufhin Erzbischof in Köln. Wachsam wurde in Bayern von obrigkeitlicher Seite die religiöse Einstellung der Untertanen beobachtet.

    Und da wollte nun Sibilla Ettlinger, die Witwe des im Jahre 1589 verstorbenen Saulburger Hofmarksherrn, Jörg Ettlinger, die angeblich selbst schon lutherisch geworden war, den Luthaner Hans Nothaft von Wernberg zu Bernhardswald, damals pfälzisch-neuburgerischer Rat und Pfleger zu Hemau, heiraten und mit ihm die Hofmark Saulburg übernehmen.

    Sibilla Ettlinger begründete ihre Ansprüche auf die Hofmark Saulburg mit ihren Leistungen für das Hofmarksgut und die Hofmark. Sie habe 11000 Gulden Bargeld mit in die Ehe gebracht. Was mit dem Geld alles geschaffen worden sei, führte sie im einzelnen an:

„l. Bau des vorderen Schlosses oder Stockes zu Saulburg von Grund auf mit Stuben, Kammern, Getreidekästen, mit 29 kleinen und großen Gewölben.
    2: Das Hofbauhaus (Wirtschaftshof) wurde, von Grund auf erbaut und gemauert mit einem gewölbten Keller und einer Kuchel.
    3. Der Schafstall wurde von Grund auf neu aufgemauert.
    4. Ein neues Bräuhaus wurde im Schloß zu Saulburg erbaut, vorher gab es kein Bräuhaus.
    5. Bau der Mühle zu Saulburg.
    6. Vier neue Söldnerhäuser wurden gebaut.
    7. Zwei Weiher von ungefähr sechs Tagwerk wurden in der Grasleithen hergerichtet.
    8. Instandsetzung des Rothweihers.
    9. Kauf der Erbrechtssölde des Hans Fleischmann auf dem Berg zu Saulburg um 130 Gulden und zwei Gulden Leutkauf (Darangeld) mit meinem Geld.
    10. Kauf einer Hofstatt zu Aufroth, auf der ein zweigädiges (zweistöckiges) Haus mit zwei gewölbten Kucheln und ein Stadel erbaut wurde.
    11. Kauf des Erbrechtshofes auf dem Voglsang von Cunz Voglsang um 300 Gulden und fünf Gulden Leutkauf mit meinem Geld.
    12. Kauf von zwei halben Erbrechtshöfen auf der Freiheit von dem Öttl um 230 Gulden und drei Gulden Leutkauf.
    13. Dort wurde eine Sölde errichtet, die auf Erbrecht verliehen wurde.
    14. Eine Sölde zu Thurasdorf wurde mit Erbrecht dazugekauft.
    15. Kauf eines Zehents in der Hofmark Saulburg, gelegen auf dem Aign, von den Venzlischen.
    Außerdem wurden Briefe abgelöst und Schulden bezahlt zu Landshut, Degernau und Haimhoff. Was zu Haimhoff alles erbaut wurde, ist hier nicht genannt. Sollte etwas vergessen worden sein, wird Vorbehalt angemeldet.“
    Nicht erwähnt hat Sibilla Ettlinger, daß sie seit Jahr und Tag die Hofmarksschulden nicht bezahlt hatte und daß damit die Hofmark mit ungefähr 7000 Gulden verschuldet war.
    Auch Andre Ettlinger, ein Vetter des kinderlos verstorbenen Jörg Ettlinger, meldete Ansprüche auf die Hofmark Saulburg an. In einem Schreiben beschuldigte er Sibilla Ettlinger, die Witwe seines verstorbenen Vetters, schwer. Andre Ettlinger erinnerte daran, daß Saulburg einst ein Jagdschloß der bayerischen Herzöge gewesen sei. Im Türnitz, dem Speisesaal, sei noch von früher das bayerische und das österreichische Wappen aufgemalt. In der Kapelle des Schlosses Saulburg sei immer eine Messe gelesen worden, bevor der Herzog auf die Jagd gezogen sei. Die Base Sibilla Ettlinger aber habe die Kapelle entweiht. Sie habe ihren Flachs, Kuchlgeschirr, dickes Fleisch und anderes Lumpenwerk in der Kapelle deponiert. Im kleinen Kirchlein vor dem Schloß sähe es ebenfalls schlimm aus. In diesem sollte alle acht oder vierzehn Tage eine Messe gelesen werden. Doch ein Viertel Jahr lang, während er in München gewesen sei, sei dort nie eine Messe, gelesen worden, obwohl der Kaplan von Pondorf zweimal in Saulburg gewesen sei und eine Messe hätten lesen wollen. Die Ettlingerin habe dem Geistlichen kein Meßgewand gegeben und so habe dieser unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Auch zu Lebzeiten seines Vetters Jörg Ettlinger sei solches schon vorgekommen. Damals sei Pfarrer Siegmund von Kirchroth nach Saulburg gekommen, um eine Messe zu lesen. Doch die Ettlingerin habe behauptet, sie könne den Schlüssel zum Schrank für die Meßgewänder nicht finden, worüber der Vetter, selig, sehr „ungeduldig“ gewesen sei. Des weiteren läute man in der Kirche weder zum Morgengebet noch zum Abendgebet und auch nicht, wenn man mit dem Kreuz vorbeiziehe. Wäre die Ettlingerin katholisch, so wäre dies alles anders. Vom Gesinde im Schloß sei ein Teil katholisch, ein Teil lutherisch. Die Katholischen gingen alle sechs bis acht Wochen einmal in die Kirche, die Ettlingerin, ihre Schwester und die Lutherischen aber das ganze Jahr nicht. Sogar als ihrem verstorbenen Mann ein Gedächtnisgottesdienst gehalten wurde, seien die Ettlingerin und ihre Schwester nicht zur Kirche gekommen mit der Erklärung, wenn sie hier zum Gottesdienst gingen, würde man ihnen in der Pfalz (wohl in Hemau, wo Nothaft, mit dem die Ettlingerin eine 3. Ehe eingehen wollte, wohnte) das Nachtmahl (Abendmahl) nicht reichen. Weiterhin berichtete Andre Ettlinger, er habe noch zu Lebzeiten seines seligen Vetters mit eigenen Augen gesehen, daß dieser sein katholisches „Postil“ in seinem Zimmer lesen ließ oder selbst las (Postille: Stellen aus der Bibel mit Erklärungen bzw. Meditationen oder Erbauungsbücher). Die Ettlingerin aber habe sich und dem Gesinde ketzerische oder lutherische „Postillen“ vorlesen lassen. Auch mit den Untertanen ginge Sibilla Ettlinger schlimm. um. Die Weiber der Söldner hätten der Witib fünf oder sechs Wochen lang ohne Unterlaß als Scharwerkerinnen im Flachs arbeiten müssen. Vorigen Winter habe sie einen Bauern ins Gefängnis werfen lassen. Als dessen 80jährige Mutter erkrankte, habe der Bauer die Frau Ettlinger bitten lassen, ihn aus dem Gefängnis zu lassen, damit er seiner Mutter den Priester holen könne, der sie mit dem hochwürdigen Sakrament versehen möge. Doch die Frau habe den Bauern solange nicht aus dem Gefängnis entlassen, bis seine Mutter nicht mehr reden konnte und ohne das hochwürdige Sakrament sterben mußte.

    Andre Ettlinger beschuldigte die Witwe seines verstorbenen Vetters des weiteren, daß sie diesen oft verhetzt habe, so daß er Händel angefangen habe, die er von sich aus nicht begonnen hätte. So habe sie ihn gegen den Landstand Maurer aufgehetzt, was den Vetter selig über 1000 Gulden gekostet habe. Sibilla Ettlinger selbst habe einen Altar, der zum Haimhoff gehört habe, „zertrümmern lassen“, worauf der Vetter 6000 Gulden Strafe habe zahlen müssen. Einmal ungeduldig geworden wegen solcher Verhetzung, habe er den Vetter zu seiner Frau sagen hören: „Du bringst mich um Leib, Seel, Ehr und Gut“.

    Ihm, Andre Ettlinger selbst, habe Sibilla Ettlinger großen Schaden zugefügt. Von seinem Holz zu Saulburg habe sie ihm in vier oder fünf Monaten an die 80 Tagwerk Holz verkauft. Des weiteren sehe er in ihr die Haupturheberin, daß die Kurpfalz ihm den Haimhoff als Lehen entzogen habe. Daher möge man ihm ein anderes Gut, nämlich die Hofmark Saulburg, überantworten, daß er wieder etwas zum Leben habe und nicht , hier in Straubing seine „Armatei“ im Wirtshaus verzehren müsse (d.h. nicht seine Rüstungen versetzen müsse, um in Straubing im Wirtshaus leben zu können), denn sie dulde ihn nicht im Schloß Saulburg und gebe ihm auch keine Alimente.

    Für Herzog Wilhelm V. war die Entscheidung klar: Sibilla Ettlinger habe kein Recht mehr auf Saulburg, weil sie seit langem ihre Hofmarksschulden nicht bezahlt habe. Auf keinen Fall dürfe sich aber der pfälzische Pfleger Hans Nothaft, der lutherischen Glaubens sei, in das Schloß und Hofmarksgut Saulburg einkaufen, auch wenn er verspreche, die Hofmarksschulden in Saulburg von ca. 7000 Gulden innerhalb eines halben Jahres bezahlen zu wollen. Es dürfe aber auch kein anderer, „welcher nicht zu unser wahren, ,allain Seligmachenden Catholischen Religion verwondt und zugethon“, Schloß und Hofmark Saulburg erwerben. Daher wies der Herzog die Regierung in Straubing an, Andre Ettlinger bei seiner Bewerbung um die Hofmark Saulburg zu unterstützen oder es möge das Hochstift Regensburg die ihm benachbarte Hofmark Saulburg kaufen, wodurch die Wohlfahrt des Hochstifts gefördert wurde. Das Hochstift möge die einmalige Chance nutzen und bedenken, daß Nothaft „vil Söhn hat“, die ein solches Gut fürderhin so bald nicht mehr aus den Händen lassen würden.
    Schließlich lieh das Hochstift Regensburg dem Andre Ettlinger 7000 Gulden und dieser konnte im Jahre 1595 die Hofmark Saulburg übernehmen. Damit blieb Saulburg katholisch.

    (Staatsarchiv Landshut Rep. 97 F. 725 Nr. 113).
 


„VON GOTTES GENADEN WILHELM PFALZGRAVE BEY RHEIN. HERZOG IN OBERN UND NIDERN BAYRN ETC. Unnsern grues zuvor, Würdige hochgelerte liebe getreue. haben wir eur unnderthenigis schreiben. das Schloß und hofmarch Saulburg betreffent. angehört. Wie Unns nun nicht gemainet den Pfälzischen Pfleger zu Hembaw. hannsen Notthafft. oder Jemandt anndern. Welcher nicht Unnser wahren. allain Seligmachenden Catholischen Religion. verwonth unnd zuegethon. der ortten sich einkhauffen zelassen. Allso“ ...

(Staatsarchiv Landshut Rep. 97 F. 725 Nr. 113)
 


Über Saulburg und „die Saulburger“ gibt es bereits mehrere Abhandlungen:
    Josef Schlicht, „Saulburg und seine Geschichte“, Jahresbericht des historischen Vereins für Straubing und Umgebung (JB), 3. Jahrgang 1900, s. 30 ff.,
    Dr. Camillo Trotter ,“die Saulburger“, JB, 4. Jahrgang, 1901, S. 15 ff.,
    „Saulburg“, Die Kunstdenkmäler von Bayern, Bezirksamt Bogen, München 1929, S. 352 ff.,
    Werner Schäfer, „Burgen und Schlösser im Landkreis Straubing-Bogen“ in „Der Landkreis Straubing-Bogen“, Herausgeber: Der Landkreis Straubing-Bogen, Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei Straubing, Februar 1984, S. 528 ff.,
    Dehio Handbuch, Bayern II: „Niederbayern“ von Michael Brix, 1988, Deutscher Kunstverlag, S. 648 ff.,
    Ludwig Vogl, „Chronik von Saulburg“, Kreis- und Heimatmuseum auf dem Bogenberg, 1962, ungedruckt.
    Trotz dieser teilweise sehr umfangreichen Veröffentlichungen konnten im Staatsarchiv Landshut noch bisher unbearbeitete Dokumente gefunden werden, die Neues und Interessantes über Saulburg und „die Saulburger“ bringen und die Geschichte Saulburgs beleuchten.
 

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