Und da wollte nun Sibilla Ettlinger, die Witwe des im Jahre 1589 verstorbenen Saulburger Hofmarksherrn, Jörg Ettlinger, die angeblich selbst schon lutherisch geworden war, den Luthaner Hans Nothaft von Wernberg zu Bernhardswald, damals pfälzisch-neuburgerischer Rat und Pfleger zu Hemau, heiraten und mit ihm die Hofmark Saulburg übernehmen.
Sibilla Ettlinger begründete ihre Ansprüche auf die Hofmark Saulburg mit ihren Leistungen für das Hofmarksgut und die Hofmark. Sie habe 11000 Gulden Bargeld mit in die Ehe gebracht. Was mit dem Geld alles geschaffen worden sei, führte sie im einzelnen an:
l. Bau des vorderen Schlosses oder Stockes zu
Saulburg von Grund auf mit Stuben, Kammern,
Getreidekästen, mit 29 kleinen und großen Gewölben.
2: Das Hofbauhaus (Wirtschaftshof) wurde, von Grund
auf erbaut und gemauert mit einem gewölbten Keller und
einer Kuchel.
3. Der Schafstall wurde von Grund auf neu aufgemauert.
4. Ein neues Bräuhaus wurde im Schloß zu Saulburg
erbaut, vorher gab es kein Bräuhaus.
5. Bau der Mühle zu Saulburg.
6. Vier neue Söldnerhäuser wurden gebaut.
7. Zwei Weiher von ungefähr sechs Tagwerk wurden in
der Grasleithen hergerichtet.
8. Instandsetzung des Rothweihers.
9. Kauf der Erbrechtssölde des Hans Fleischmann auf
dem Berg zu Saulburg um 130 Gulden und zwei Gulden
Leutkauf (Darangeld) mit meinem Geld.
10. Kauf einer Hofstatt zu Aufroth, auf der ein
zweigädiges (zweistöckiges) Haus mit zwei gewölbten
Kucheln und ein Stadel erbaut wurde.
11. Kauf des Erbrechtshofes auf dem Voglsang von Cunz
Voglsang um 300 Gulden und fünf Gulden Leutkauf mit
meinem Geld.
12. Kauf von zwei halben Erbrechtshöfen auf der
Freiheit von dem Öttl um 230 Gulden und drei Gulden
Leutkauf.
13. Dort wurde eine Sölde errichtet, die auf Erbrecht
verliehen wurde.
14. Eine Sölde zu Thurasdorf wurde mit Erbrecht
dazugekauft.
15. Kauf eines Zehents in der Hofmark Saulburg,
gelegen auf dem Aign, von den Venzlischen.
Außerdem wurden Briefe abgelöst und Schulden bezahlt
zu Landshut, Degernau und Haimhoff. Was zu Haimhoff
alles erbaut wurde, ist hier nicht genannt. Sollte
etwas vergessen worden sein, wird Vorbehalt
angemeldet.
Nicht erwähnt hat Sibilla Ettlinger, daß sie seit Jahr
und Tag die Hofmarksschulden nicht bezahlt hatte und
daß damit die Hofmark mit ungefähr 7000 Gulden
verschuldet war.
Auch Andre Ettlinger, ein Vetter des
kinderlos verstorbenen Jörg Ettlinger, meldete
Ansprüche auf die Hofmark Saulburg an. In einem
Schreiben beschuldigte er Sibilla Ettlinger, die Witwe
seines verstorbenen Vetters, schwer. Andre Ettlinger
erinnerte daran, daß Saulburg einst ein Jagdschloß der
bayerischen Herzöge gewesen sei. Im Türnitz, dem
Speisesaal, sei noch von früher das bayerische und das
österreichische Wappen aufgemalt. In der Kapelle des
Schlosses Saulburg sei immer eine Messe gelesen
worden, bevor der Herzog auf die Jagd gezogen sei. Die
Base Sibilla Ettlinger aber habe die Kapelle entweiht.
Sie habe ihren Flachs, Kuchlgeschirr, dickes Fleisch
und anderes Lumpenwerk in der Kapelle deponiert. Im
kleinen Kirchlein vor dem Schloß sähe es ebenfalls
schlimm aus. In diesem sollte alle acht oder vierzehn
Tage eine Messe gelesen werden. Doch ein Viertel Jahr
lang, während er in München gewesen sei, sei dort nie
eine Messe, gelesen worden, obwohl der Kaplan von
Pondorf zweimal in Saulburg gewesen sei und eine Messe
hätten lesen wollen. Die Ettlingerin habe dem
Geistlichen kein Meßgewand gegeben und so habe dieser
unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Auch zu
Lebzeiten seines Vetters Jörg Ettlinger sei solches
schon vorgekommen. Damals sei Pfarrer Siegmund von
Kirchroth nach Saulburg gekommen, um eine Messe zu
lesen. Doch die Ettlingerin habe behauptet, sie könne
den Schlüssel zum Schrank für die Meßgewänder nicht
finden, worüber der Vetter, selig, sehr ungeduldig
gewesen sei. Des weiteren läute man in der Kirche
weder zum Morgengebet noch zum Abendgebet und auch
nicht, wenn man mit dem Kreuz vorbeiziehe. Wäre die
Ettlingerin katholisch, so wäre dies alles anders. Vom
Gesinde im Schloß sei ein Teil katholisch, ein Teil
lutherisch. Die Katholischen gingen alle sechs bis
acht Wochen einmal in die Kirche, die Ettlingerin,
ihre Schwester und die Lutherischen aber das ganze
Jahr nicht. Sogar als ihrem verstorbenen Mann ein
Gedächtnisgottesdienst gehalten wurde, seien die
Ettlingerin und ihre Schwester nicht zur Kirche
gekommen mit der Erklärung, wenn sie hier zum
Gottesdienst gingen, würde man ihnen in der Pfalz
(wohl in Hemau, wo Nothaft, mit dem die Ettlingerin
eine 3. Ehe eingehen wollte, wohnte) das Nachtmahl
(Abendmahl) nicht reichen. Weiterhin berichtete Andre
Ettlinger, er habe noch zu Lebzeiten seines seligen
Vetters mit eigenen Augen gesehen, daß dieser sein
katholisches Postil in seinem Zimmer lesen ließ
oder selbst las (Postille: Stellen aus der Bibel mit
Erklärungen bzw. Meditationen oder Erbauungsbücher).
Die Ettlingerin aber habe sich und dem Gesinde
ketzerische oder lutherische Postillen vorlesen
lassen. Auch mit den Untertanen ginge Sibilla
Ettlinger schlimm. um. Die Weiber der Söldner hätten
der Witib fünf oder sechs Wochen lang ohne Unterlaß
als Scharwerkerinnen im Flachs arbeiten müssen.
Vorigen Winter habe sie einen Bauern ins Gefängnis
werfen lassen. Als dessen 80jährige Mutter erkrankte,
habe der Bauer die Frau Ettlinger bitten lassen, ihn
aus dem Gefängnis zu lassen, damit er seiner Mutter
den Priester holen könne, der sie mit dem hochwürdigen
Sakrament versehen möge. Doch die Frau habe den Bauern
solange nicht aus dem Gefängnis entlassen, bis seine
Mutter nicht mehr reden konnte und ohne das
hochwürdige Sakrament sterben mußte.
Andre Ettlinger beschuldigte die Witwe seines verstorbenen Vetters des weiteren, daß sie diesen oft verhetzt habe, so daß er Händel angefangen habe, die er von sich aus nicht begonnen hätte. So habe sie ihn gegen den Landstand Maurer aufgehetzt, was den Vetter selig über 1000 Gulden gekostet habe. Sibilla Ettlinger selbst habe einen Altar, der zum Haimhoff gehört habe, zertrümmern lassen, worauf der Vetter 6000 Gulden Strafe habe zahlen müssen. Einmal ungeduldig geworden wegen solcher Verhetzung, habe er den Vetter zu seiner Frau sagen hören: Du bringst mich um Leib, Seel, Ehr und Gut.
Ihm, Andre Ettlinger selbst, habe Sibilla Ettlinger großen Schaden zugefügt. Von seinem Holz zu Saulburg habe sie ihm in vier oder fünf Monaten an die 80 Tagwerk Holz verkauft. Des weiteren sehe er in ihr die Haupturheberin, daß die Kurpfalz ihm den Haimhoff als Lehen entzogen habe. Daher möge man ihm ein anderes Gut, nämlich die Hofmark Saulburg, überantworten, daß er wieder etwas zum Leben habe und nicht , hier in Straubing seine Armatei im Wirtshaus verzehren müsse (d.h. nicht seine Rüstungen versetzen müsse, um in Straubing im Wirtshaus leben zu können), denn sie dulde ihn nicht im Schloß Saulburg und gebe ihm auch keine Alimente.
Für Herzog Wilhelm V. war die Entscheidung klar:
Sibilla Ettlinger habe kein Recht mehr auf Saulburg,
weil sie seit langem ihre Hofmarksschulden nicht
bezahlt habe. Auf keinen Fall dürfe sich aber der
pfälzische Pfleger Hans Nothaft, der lutherischen
Glaubens sei, in das Schloß und Hofmarksgut Saulburg
einkaufen, auch wenn er verspreche, die
Hofmarksschulden in Saulburg von ca. 7000 Gulden
innerhalb eines halben Jahres bezahlen zu wollen. Es
dürfe aber auch kein anderer, welcher nicht zu unser
wahren, ,allain Seligmachenden Catholischen Religion
verwondt und zugethon, Schloß und Hofmark Saulburg
erwerben. Daher wies der Herzog die Regierung in
Straubing an, Andre Ettlinger bei seiner Bewerbung um
die Hofmark Saulburg zu unterstützen oder es möge das
Hochstift Regensburg die ihm benachbarte Hofmark
Saulburg kaufen, wodurch die Wohlfahrt des Hochstifts
gefördert wurde. Das Hochstift möge die einmalige
Chance nutzen und bedenken, daß Nothaft vil Söhn
hat, die ein solches Gut fürderhin so bald nicht mehr
aus den Händen lassen würden.
Schließlich lieh das Hochstift Regensburg dem Andre
Ettlinger 7000 Gulden und dieser konnte im Jahre 1595
die Hofmark Saulburg übernehmen. Damit blieb Saulburg
katholisch.
(Staatsarchiv Landshut Rep. 97 F. 725 Nr. 113).
(Staatsarchiv Landshut Rep. 97 F. 725 Nr. 113)