Die D-Mark geht - der Euro kommt: Diese Aussage derzeit im Übergang zum Euroland in aller Munde erinnert so manchen Älteren an einen ganz ähnlich lautenden Satz aus dem Jahr 1948. Allerdings hieß es damals, und bestimmt heißer ersehnt als der jetzige Wechsel im Januar 2002, Die Reichsmark geht - die D- Mark kommt
Wie war das eigentlich, als vor 53 Jahren die Deutsche Mark das Licht der Welt erblickte und - drei Jahre. nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges - endlich der Hoffnungsschimmer eines Wirtschaftsaufschwungs aufzuleuchten begann? Alle hatten die Nase voll von Lebensmittelkarten mit mehr als kärglichen Zuteilungen (ein Ei für zwei Wochen), vom Schwarzen Markt, von der Zigarettenwährung, von holzgasangetriebenen und darum stinkenden Fahrzeugen. Dorothea Wolf, ehemalige Lehrerin in Bogen, berichtet im. folgenden Teil, wie sie diese Zeit erlebt hat.
Ich hatte es im Gegensatz zu vielen meiner Zeitgenossen noch verhältnismäßig gut getroffen. Als junge Hilfslehrerin im schönen Vorwalddorf Saulburg konnte ich mir jeden Abend beim Krottenthaler, einem Landwirt gleich neben der Angerkirche, die Köstlichkeit von einem halben Liter noch kuhwarmer Milch holen. Und die stellte ich dann in den Schulhauskeller. Erstens war das Wort Kühlschrank ein Fremdwort, und zweitens sollte sich oben im Topf eine Rahmschicht bilden, verwendet als Brotaufstrich. An Butter war nämlich überhaupt nicht zu denken. Und das Brot dazu bekam ich von der Winkler Marl, mit der ich mich angefreundet hatte. Das war die Tochter des Grabmüllers und damaligen Bürgermeisters, die unterhalb der Schule in der von einem Bach angetriebenen Mühle wohnte und ein Herz für das Schulfreiln zeigte. Übrigens hatte sie zwei Bruder, den Sepperl und den Wolfgang, beide meine Schüler. Aber das Brot gab es natürlich ganz ohne Hintergedanken an diesen Umstand!
Die R-Mark taugte überhaupt nichts mehr. Für ein Pfund
Zucker musste ich 40 Mark hinblättern, natürlich
schwarz, und das bei meinem stolzen Gehalt von 150
Märkern. Die beiden Kramerläden - die Mandl Sophie und
der Loichinger - gaben ja nur kleinste Rationen her.
Wer etwas an Kleidung brauchte, hatte nur die
Möglichkeit; vielleicht aus Gardinen oder Ähnlichem
etwas Fesches zu schneidern oder in der Straubinger
Tauschzentrale am Ludwigsplatz sein Glück zu
versuchen. Alle möglichen Gerüchte gingen um. So hieß
es, die Amerikaner hätten schon neues deutsches Geld
gedruckt. Doch auch an Pfingsten, Mitte Mai, geschah
nichts; offenbar ließen sich die Wirtschaftsexperten
nicht vom Heiligen Geist anrühren. Ich besaß. noch die
Kostbarkeit von einem Paar Ohrringen, die ich in der
Tauschzentrale gegen Pfingstschuhe, allerdings eine
Nummer kleiner als meine Größe (Schönheit muss eben
leiden) eintauschte.
Endlich kam dann der 19. Juni 1948, ein Samstag. In
Saulburg war es der Gemeindediener Haberl, der,
ausgestattet mit einer Glocke und deshalb laut
schallend, die Nachricht verkündete: Morgen gibt es
in der Gemeindekanzlei neues Geld. Jeder bekommt 40
Mark Kopfgeld. Ich hatte mir schon lange vorher
ausgemalt, was ich kaufen würde, wenn der Tag X käme.
Ich will ein neues Kostüm - ganz klar war das. In
der kommenden Woche hörte man von Leuten, die schon
nach Straubing gekommen waren, dass die Auslagen der
Schaufenster voll wären wie in einem Schlaraffenland.
Freilich nur zum Bestaunen, denn die Geldvorräte in
den Börsen waren knapper als knapp. Gut, dass sich in
Saulburg der Wohnsitz der Familie Verpoorten (bekannt
durch den Eierlikör) befand. Sohn Viktor war im Besitz
eines Lastwagens und mit mir bekannt. Täglich fuhr er
zum Wiederaufbau seiner aus Berlin hierher verlegten
Firma in die Heerstraße nach Straubing und ich konnte
mitfahren. Vor den zwei Schaufenstern des Modehauses
Hafner, damals schon am Ludwigsplatz, wenn auch viel
kleiner als heute, stehend, war es um mich und mein
Kopfgeld geschehen: Ich entdeckte ein wunderschönes
gelbes Kostüm, bestehend aus einer Jacke und
Plisseerock, Kostenpunkt 39 Mark.
Ein Vermögen für jemanden, der nur 40 Mark besaß. Ach was, dachte ich mir, der Juli mit meiner ersten neuen Währungsentlohnung steht vor der Tür. Und die paar Tage bis dahin werde ich nicht verhungern. Also rein ins Geschäft, das Kostüm raus aus der Auslage, anprobiert, Gott sei Dank, es passte!, die vier Zehnmarkscheine hingelegt und sogar noch eine ganze Mark zuruckbekommen. Davon verprasste ich dann noch bei einem Eiswagen ein Zehner1 für eine Riesenportion Eis - auch ein ungewohnter Luxus.
Nie mehr danach genoss ich später so das Gefühl,
schick zu sein und vor allem von meinen
Geschlechtsgenossinnen bewundert zu werden, wie in
diesem ersten Sommer nach der Währungsreform. Der
Wechsel von dem, was modern war, kam sehr langsam in
Fahrt, und außerdem zogen die Preise an, wobei das
Geld trotz des einsetzenden Wirtschaftswunders
immer noch bei den meisten Menschen knapp war. Also
blieb mein gelbes Kostüm lange mein
Vorzeigekleidungsstück. Und das auch, wenn ich in den
Jahren danach meine Schülerinnen und Schüler zu ihrer
Erstkommunion in die Kirche begleitete.
Überhaupt verbinden mich mit Saulburg aus diesen ärmlichen Nachkriegszeiten und nicht gerade üppigen Monaten nach der Währungsreform nur Erinnerungen an liebe Leute. Von manchem Schmankerl, das meinem leiblichen Wohl diente, liegt mir noch der Geschmack auf der Zunge: Die Zwetschgennudeln der Grabmüllerin, das Stück Gugelhupf am Sonntagnachmittag von der Frau Bösche, der Lehrersfrau meines Schulleiterkollegen, nicht zu vergessen die tägliche Mittagsmahlzeit bei Widmann, der Gastwirtsfamilie und damaligen Saulburger Schlossbesitzer - wer hatte schon das Glück, sich 1947 und auch noch 1948 täglich satt essen zu können? -, der selbst gewonnene Honig vom Förster Schindler und - ganz wichtig für mich - sogar mein Hund Strolchi wurde mitversorgt. Und der durfte sogar manchmal die Reste der auch nach der Währungsreform täglich für die Schulkinder in einem Riesentopf von der Frau Liehr, einer Flüchtlingsfrau aus Schlesien, gekochten und von den Amerikanern gesponserten Schulspeisung in Form von Grieß- oder Reisbrei ausschlecken.